“Die therapeutische Beziehung besitzt eine mächtige Kraft und hat entscheidenden Einfluss auf den Therapieerfolg”

Interview mit Aepsy vom 9. September 2023

Bereits als 11-Jährige schrieb sie in der Schule einen Aufsatz darüber, wie sie mal in Wien Psychologie studieren werde. Ein Ziel, das sie mit Passion und Durchhaltewillen verfolgt und erreicht hat. Inzwischen ist Raffaela Witting seit rund 10 Jahren als Psychologin tätig und hat auch die Weiterbildung zur Psychotherapeutin abgeschlossen. Zu Beginn ihrer Selbstständigkeit wurde sie auf Aepsy aufmerksam – seither unterstützt sie zahlreiche Menschen über die Aepsy Plattform.

Seit 10 Jahren begleitest du Menschen durch herausfordernde Zeiten. Was ist deine grösste Erkenntnis, die du in dieser Zeit gemacht hast?

Ich denke, das war die Realisation, wie wichtig die therapeutische Beziehung tatsächlich ist, dass es nicht nur die spezifischen Techniken oder Interventionen sind, die den grössten Einfluss auf die Veränderung und das Wachstum von Klient:innen haben, sondern vor allem die Qualität der Beziehung zwischen Therapeut:in und Klient:in. Die therapeutische Beziehung besitzt eine mächtige und transformative Kraft und hat einen entscheidenden Einfluss auf den Therapieerfolg. Diese Erkenntnis hat mein Verständnis für die Komplexität der menschlichen Psyche und die Wichtigkeit der zwischenmenschlichen Verbindungen vertieft.

Viele Menschen besprechen herausfordernde Themen lieber mit Freunden oder Familienmitgliedern. Warum ist es trotzdem sinnvoll, mit einer psychologischen Fachperson zu sprechen?

Ein Gespräch mit einer Freundin oder einem Freund kann zweifellos hilfreich sein, doch manchmal ist eine objektive, unbefangene Aussensicht hilfreicher. Hier kommen die Unterschiede zum therapeutischen Gespräch ins Spiel, das von einer professionellen und neutralen Beziehung geprägt ist. Therapeut:innen sind unvoreingenommen und schaffen einen sicheren Raum, in dem man sich öffnen kann. Zudem garantiert die Psychotherapie Vertraulichkeit, sodass alle im Rahmen der Therapie geteilten Informationen geschützt bleiben. Ausserdem haben Psychotherapeut:innen eine fundierte Ausbildung und Expertise im Bereich psychische Gesundheit, während eine Freundin möglicherweise nicht über das gleiche Wissen oder die gleiche Erfahrung verfügt. Therapeut:innen können daher spezifische Techniken und Interventionen einsetzen, um gezielte Veränderungen herbeizuführen. Dies ermöglicht eine zielgerichtete und effektive Unterstützung auf dem Weg zu positiven Veränderungen und Wachstum.

Wann ist der richtige Zeitpunkt, um eine Therapie oder psychologisches Coaching zu starten?

Ich denke, dass es keinen richtigen oder falschen Zeitpunkt gibt, um eine Therapie zu beginnen. Wenn man das Gefühl hat, dass man Unterstützung benötigt, ist es sinnvoll, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Gerade hier spielt Aepsy eine wichtige Rolle, sie offerieren Betroffenen eine Möglichkeit für Gespräche, bevor diese in eine Krise rutschen.

Therapeut:innen sind darauf spezialisiert, bei der Bewältigung von Herausforderungen zu unterstützen. Die Gründe, eine Therapie aufzusuchen, können vielfältig sein: Umgang mit Stress oder Angstzuständen, anhaltende negative Emotionen, Probleme in zwischenmenschlichen Beziehungen, belastende Lebensereignisse. Selbst wenn kein akutes Problem vorliegt, kann eine Psychotherapie oder ein Coaching hilfreich sein, um an persönlichem Wachstum und Selbstentwicklung zu arbeiten.

Was schätzt du am meisten an deiner Arbeit?

Die Möglichkeit, Menschen in schwierigen Zeiten ihres Lebens zu unterstützen und ihnen dabei zu helfen, positive Veränderungen zu bewirken. Ich finde es schön, ein vertrauensvolles Umfeld zu schaffen, in dem sie sich öffnen können, um ihre Ängste, Sorgen und Herausforderungen zu teilen. Es ist äusserst bereichernd, Zeuge der Veränderungen zu sein, die Menschen während des therapeutischen Prozesses erleben können. Jeder Klient und jede Klientin ist einzigartig, und jede therapeutische Beziehung stellt mich vor neue Herausforderungen. Die Chance, einen positiven Einfluss auf das Leben anderer Menschen auszuüben, ist inspirierend und erfüllend.

Gibt es etwas, das sich Menschen bewusst sein sollten, bevor sie eine Gesprächstherapie oder ein Coaching starten?

Die Gesprächssituation kann anfangs neu und ungewohnt sein, manchmal wird man von Emotionen überrumpelt, aber all das hat Raum und Platz und ist völlig okay. Es ist hilfreich, wenn man bereits weiss, was man mit der Therapie erreichen will und wo man hin möchte. Psychotherapie ist keine Magie, die sofort alle Probleme löst, sondern sie erfordert aktive Mitarbeit und Zeit. Eine Prise Geduld mit sich und dem Prozess ist sicherlich förderlich, es kann Rückschläge geben, aber das ist normal. Veränderung passiert nicht nur während der Sitzungen, sondern auch durch eigene Bemühungen zwischen den Sitzungen.

Was können Klient:innen von einer Gesprächstherapie oder einem psychologischen Coaching erwarten?

Eine Gesprächstherapie bzw. psychologisches Coaching bietet einen sicheren, geschützten Raum, in dem alles Platz hat und nichts nach aussen dringt. Klient:innen können von einer Psychotherapie erwarten, dass sie Unterstützung bei der Bewältigung von emotionalen Herausforderungen und schwierigen Erlebnissen erhalten. Der Therapeut/ die Therapeutin hilft z.B. dabei, negative Denkmuster und Verhaltensweisen zu erkennen und neue, gesündere Alternativen zu entwickeln. Durch die Exploration von Gedanken, Gefühlen und Lebenserfahrungen werden tieferliegende Ursachen von Problemen aufgedeckt und bearbeitet.

Deiner Meinung nach: Wie weiss ein/e Klient:in, ob sie oder er die richtige Fachperson gefunden hat? Und umgekehrt, wie erkennt man, dass es vielleicht eben nicht der richtige Match ist?

Die Beziehung zum/zur Therapeut:in ist entscheidend. Vertrauen und eine gute Chemie sind wichtige Faktoren für den Erfolg einer Zusammenarbeit. Es ist wichtig, dass man sich in der therapeutischen Beziehung wohlfühlt. Wenn man das Gefühl hat, dass die Chemie nicht stimmt oder man kein Vertrauen aufbauen kann, sollte man dies mit dem/der Therapeut:in ansprechen. Offene Kommunikation kann helfen, Missverständnisse auszuräumen und gegebenenfalls eine Lösung zu finden, sei es durch Anpassungen in der Herangehensweise oder durch die Suche nach einer anderen Fachperson, die besser passt.

Zur Ausbildung zur Psychotherapeutin gehört auch die Selbsterfahrung mit verschiedenen Psycholog:innen und Therapeut:innen. Was konntest du aus dieser Erfahrung mitnehmen?

Durch die intensive Auseinandersetzung mit ungelösten emotionalen Themen und früheren Erfahrungen habe ich ein tieferes Verständnis für mich selbst und meine persönlichen Beziehungen entwickelt. So haben meine Therapeut:innen auf jeden Fall dazu beigetragen, dass ich mich besser verstehen und so persönlich wachsen konnte.

Indem ich meine eigenen emotionalen Prozesse durchgearbeitet habe, kann ich empathischer und einfühlsamer gegenüber den Herausforderungen und Bedürfnissen meiner Klient:innen sein. Ich habe gelernt, mich besser in ihre Lage zu versetzen und ihre Perspektiven zu verstehen. Ich denke, durch das eigene Erleben von Therapie wird man befähigt, die theoretischen Kenntnisse mit der praktischen Erfahrung zu verbinden und so eine eigene therapeutische Herangehensweise zu entwickeln. Darüber hinaus kann Psychotherapie ein anspruchsvoller Beruf sein, der eine hohe emotionale Belastung mit sich bringt. Selbsterfahrung dient als Form der Psychohygiene und somit auch Selbstfürsorge.

Was hilft dir, mit deinen eigenen (mentalen) Herausforderungen umzugehen?

Mir ist ein Ausgleich in der Freizeit und im Privatleben sehr wichtig, diesen finde ich in diversen Sportarten. Beispielsweise ist das Klettern für mich eine hervorragende Stressbewältigungsstrategie. Jede Bewegung erfordert Konzentration und Aufmerksamkeit, dieses Gefühl der Fokussierung und Achtsamkeit hilft mir den Alltag hinter mir zu lassen und Stress abzubauen. Was mir auch hilft und Spass macht, ist das Erlernen neuer Skills sowie das Planen und Umsetzen von privaten Projekten. Vor einigen Monaten habe ich begonnen Cello zu spielen und einmal in der Woche gehe ich in den Spanischunterricht. Mein aktuelles Projekt ist der Segelschein, den ich gemeinsam mit meinem Freund mache. Überdies ist Supervision extrem hilfreich, um meine Arbeit zu reflektieren und von anderen Perspektiven und Erfahrungen zu profitieren. Last but not least gehe ich auch immer wieder in Selbsterfahrung, um persönliche Themen zu bearbeiten und mein mentales Gleichgewicht zu erhalten.

Was möchtest du unseren Leser:innen mit auf den Weg geben?

Entstigmatisierung psychischer Probleme liegt mir sehr am Herzen. Während es gesellschaftlich akzeptiert ist, mit einem körperlichen Leiden zum Arzt zu gehen und sich Hilfe zu suchen, ist dies bei mentalen Problemen oft nicht der Fall. Psychische Probleme sind genauso real und ernst zu nehmen wie körperliche Erkrankungen und können jede und jeden betreffen. Sie sind keine Frage von Schwäche oder Versagen und verdienen die gleiche Aufmerksamkeit und Fürsorge wie physische Beschwerden.

Ich hoffe, dass wir alle eines Tages an den Punkt kommen, wo wir uns sicher genug fühlen, um über psychische Probleme zu sprechen, ohne Angst haben zu müssen, verurteilt zu werden – und ich denke, wir sind auf einem guten Weg.

 

Der Link zum Artikel findet sich hier: Raffaela Witting: «Die therapeutische Beziehung besitzt eine mächtige Kraft und hat entscheidenden Einfluss auf den Therapieerfolg»

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