Emotionale Bewältigung von Verlust und Umgang mit Trauer

Interview mit 20 Minuten vom 3. September 2024

Die Eishockey-Brüder Johnny und Matthew Gaudreau starben plötzlich bei einem Unfall. Sie hinterlassen junge Familien. Traumaexpertin und Psychologin Raffaela Witting ordnet ein.

Raffaela Witting, die Eishockey-Brüder Johnny und Matthew Gaudreau starben plötzlich bei einem Unfall. Aus Sicht einer Traumaexpertin und Psychologin: Wie geht man mit so einem Schock um?

Der plötzliche Verlust von geliebten Menschen, insbesondere unter tragischen Umständen wie einem Unfall, ist für jede Familie ein tief erschütterndes Ereignis. In einer solchen Situation ist es wichtig, dass die Familie alle auftretenden Gefühle offen ausdrücken darf. Der familiäre Zusammenhalt spielt dabei eine grosse Rolle: Gemeinsame Trauer, das Teilen von Erinnerungen und gegenseitige Unterstützung können helfen, den Schmerz etwas zu lindern.

Und der Trauerprozess verläuft wohl individuell.

Genau. Und er braucht Zeit. Um allmählich wieder Stabilität im Alltag zu finden, kann es hilfreich sein, schrittweise eine Routine zu entwickeln, die ein Gefühl von Normalität und Sicherheit vermittelt. Letztlich ist es essenziell, dass die Familie sich die Zeit nimmt, die sie benötigt.

Die Trauer ist riesig bei den hinterbliebenen Frauen: Was ist jetzt der richtige Umgang mit den beiden Kindern von Johnny Gaudreau (eins und sechs Monate)?

In einer solchen Situation sollte sensibel und achtsam mit den Kindern umgegangen werden. So kleine Kinder erleben und verarbeiten Trauer anders als Erwachsene und es ist besonders wichtig, dass sie Unterstützung und Liebe erfahren.

Was ist noch wichtig?

Die Kinder sollten wissen, dass ihre Gefühle normal und berechtigt sind, auch wenn sie diese Emotionen noch nicht in Worte fassen können. Wenn sie etwas älter werden, sollten sie ermutigt werden, diese Emotionen auf ihre eigene Weise auszudrücken, sei es durch Worte, Zeichnungen oder Spiele. Gleichzeitig ist es von grosser Bedeutung, ihnen Sicherheit und Stabilität zu bieten.

Was ist mit Bezugspersonen?

Kinder benötigen in so einer Situation eine verlässliche Bezugsperson sowie eine feste Alltagsstruktur, die ihnen Sicherheit und Geborgenheit vermittelt. Auch wenn die Kinder in diesem Alter noch nicht in der Lage sind, die Ereignisse in vollem Umfang zu verstehen, kann es hilfreich sein, ihnen einfache Erklärungen zu geben, die ihrem Entwicklungsstand entsprechen, ohne sie mit komplexen Details zu überfordern.

Sie haben es bereits angesprochen, aber noch genauer: Wie gehen Kleinkinder mit einem tragischen Verlust um?

Bei Kindern in einem so jungen Alter ist das Verständnis von Tod und Verlust noch nicht entwickelt. Ihre Reaktionen können sich in veränderten Verhaltensweisen oder in körperlichen Symptomen zeigen. Es kann vorkommen, dass Kinder in ihrer Entwicklung Rückschritte zeigen oder es zu Veränderungen im Schlaf- und Essverhalten kommt.

Und später?

Später ist es auch nicht ungewöhnlich, dass sie immer wieder Fragen stellen oder das Geschehene im Spiel nachstellen, um es besser begreifen zu können. Auch wenn sie das Ausmass des Verlusts nicht verstehen, spüren sie die emotionale Veränderung in ihrer Umgebung und benötigen weiterhin eine sichere und liebevolle Umgebung.

Matthew Gaudreau wäre im Dezember Papa geworden. Was raten Sie jetzt als Traumaexpertin und Psychologin der schwangeren Frau Madeline?

Der Verlust eines Partners ist unter allen Umständen schwer, doch wenn eine Frau schwanger ist und sich auf die Geburt ihres Kindes vorbereitet, wird dieser Schmerz durch die widersprüchlichen Gefühle von Trauer und der Erwartung eines neuen Lebens noch verstärkt.

Was ist jetzt also wichtig?

Sie sollte sich die Freiheit nehmen, alle auftretenden Emotionen zuzulassen, seien es Trauer, Wut, Angst oder auch Freude über das Kind. Es ist vollkommen normal, dass sie sich innerlich zerrissen fühlt, da sie um ihren Partner trauert und sich gleichzeitig auf das neue Leben vorbereitet. In dieser Zeit ist es entscheidend, dass sie sich von Menschen umgeben weiss, die ihr emotionale Unterstützung und Geborgenheit bieten.

Was kann helfen?

Eine Trauerbegleitung oder Gespräche mit einem Therapeuten können helfen, Gefühle zu ordnen und Wege zu finden, mit dem Verlust umzugehen, ohne dabei das Wohl des Kindes aus den Augen zu verlieren. Sie sollte darauf achten, sich körperlich zu schonen und Stress so weit wie möglich zu reduzieren, um ihre eigene Gesundheit und die ihres Kindes zu schützen.

 

Der Link zum Artikel findet sich hier: Tragischer Tod der Hockey-Brüder: Was heisst das für die Kinder?

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